KZ Mauthausen:

Mutiger Schweizer rettet über 50.000 Menschenleben

Linz, 7. Mai (ca). - Wie gerade bekannt wurde, konnte vor drei Tagen eine der letzten Katastrophen des Nazi-Wahnsinns verhindert werden. Während Anfang Mai die Kapitulation schon fast im gesamten Deutschen Reich und in den von Deutschen besetzten Gebieten erfolgt war, herrschte in einer der "Restzonen" Österreichs noch umso grausamer der Nazi-Gehorsam. Das KZ Mauthausen, unweit von Linz, sowie sein Außenlager Gusen sollten, wenn es nach den SS-Lageraufsehern gegangen wäre, am 5. Mai eliminiert werden - die 50.000 bis 60.000 Menschen wären beim Herannahen der Alliierten mitsamt der Flugzeugfabrik in die Luft gesprengt worden. Wie in anderen Lagern hatte man auch hier noch in den letzten Kriegswochen den Terror gegen die Häftlinge verstärkt, tausende von Menschen waren seit Errichtung des Lagers (für "schwer belastete, kriminiell vorbestrafte und asoziale Schutzhäftlinge", so der SD 1941) ermordet worden.

Ein Delegierter des Internationales Roten Kreuzes im Lager, der Zürcher Bankbeamte Louis Haefliger hatte von der vorgesehenen Sprengung durch einen plötzlich mit Skrupeln behafteten SS-Mann erfahren. Obwohl eine Vorhut der amerikanischen Truppen nur noch 20 km, die Rote Armee nur 30 km entfernt waren, konnten die KZ-Häftlinge nicht darauf hoffen, rechtzeitig befreit zu werden - Mauthausen lag nicht direkt auf der Marschroute. So machte sich Haefliger nach geheimen Vorbereitungen - noch kontrollierten hunderte von SS-Männern das Lager - und mit versteckter Rotkreuzfahne im Gepäck am Morgen des 5. Mai auf den Weg: Er wollte den Amerikanern entgegenfahren, um sie schnellstmöglich nach Mauthausen zu führen. Das Unternehmen gelang: Über St. Georgen und Gusen, wo sie die Bevölkerung begeistert empfing, kehrte Haefliger zusammen mit nur 35 Amerikanern in das Lager zurück. Nach der Mitteilung, sie seien nur die Vorhut - de facto waren allerdings die übrigen Truppen noch mindestens eine Tagesreise entfernt - ergab sich die SS sofort. Anschließend wurde auch Gusen befreit. Der Jubel der ausgemergelten Häftlinge des Lagers aus verschiedenen Nationen kannte keine Grenzen. Viele waren aber auch zu krank und zu schwach, um die Befreiung und das voraussichtliche Ende ihrer Leiden wirklich feiern zu können. Einer der Häftlinge, der jüdische Architekt Simon Wiesenthal berichtete, er habe mit seinen 44 Kilo nur auf allen Vieren aus den Baracken herauskriechen können. "Zuerst war da diese große Spannung des Überlebens", sagte Wiesenthal, "ich wußte nicht, ob man uns erst ins Grab schreien wird: Der Hitler hat den Krieg verloren. Ich wollte nur deren Untergang sehen, dann hätte ich sterben können."

Eine Karte von ...
Die gößten Konzentrazionslager

Daß er und Zehntausende andere eine der letzten, grauenhaften Racheaktionen der NS-Führung überlebten, verdanken sie vor allem der mutigen Aktion eines Schweizer Bankbeamten. Haefliger, ein stiller, bescheidener Mann will aber seine Tat nicht überbewertet wissen, die er als "humanitäre Notwendigkeit" ansieht. Und er hat auch schon einen Plan, was nach der Räumung des schrecklichen Lagers mit diesem Ort geschehen soll: Er wünscht sich ein internationales Dorf für elternlose Kinder und Heranwachsende an dem Ort, "wo man den Andersdenkenden und den Ausländer schlechthin als minderwertig behandelt hat", so Haefliger. Dies könnte in Zukunft eine "Gegenkraft bilden gegen die in diesem Jahr zwar militärisch, aber sicherlich nicht geistig besiegte Tyrannei".

[zurück] [weiter] [grafische Übersicht] [Inhalt] [Seite drucken] [Fenster schließen]