Verbrechen der Ärzte

Der Eid galt nicht dem Hippokrates

Göttingen, 5. Mai (tp) - Eine vorläufige Bilanz der durch Mediziner verübten Verbrechen gegen die Menschlichkeit weist wahrscheinlich mehr als 200 Tote allein in Göttingen aus. Zwei Gruppen von Menschen waren davon betroffen.

Das "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" (GzVeN)) wurde auch in Südniedersachsen rigeoros angewendet. Auf Antrag von Mediziner und insbesondere Amtsärzten sollten angeblich vererbbare "Krankheiten" durch die Sterilisation derjenigen verhindert werden, die als Träger der Erbinformation galten. Ungeheuerlichkeiten wie die Annahme der Vererbarkeit von sozial auffälligem Verhalten oder unerwünschten Sinnesleistungen (z.B. Blindheit) führten dazu, daß ihnen das Recht auf eigene Nachkommen oder Heirat entzogen wurde.

Ist die Verletzung elementarster menschlicher Rechte im Namen der wahnhaften Rassenideologie schon ungeheuerlich genug, so sind die Einschätzungen der ausführenden und verantwortlichen Ärzte, daß sich mindestens drei Todesfälle nach Zwangssterilisationen im Rahmen des Normalen bewegen, eine Verhöhnung der Leidtragenden. Niemand hätte sich freiwillig dieser Operation unterzogen.

Die Zahl der Betroffenen ist zur Zeit noch nicht genau erfaßbar, da den ihnen verboten war, öffentlich darüber zu sprechen; sie geht jedoch in die Hunderte. Die Schamverletzung, die es bedeutet, seine Demütigung kundzutun sollte nicht unterschätzt werden.

Die Zahl der Beschwerden beim Erbgesundheitsgericht verdeutlicht aber bereits jetzt, daß auch Parteigenossen nicht von den Maßnahmen ausgenommen waren.

Zu tiefster Trauer gibt aber die Tatsache Anlaß, daß allein aus der Provinzial- und Pflegeanstalt im Rosdorfer Weg 70 im Jahre 1941 insgesamt 222 Patienten in drei Transporten nach Hadamar in Hessen und Sonnenstein in Brandenburg abtransportiert und dort ermordet worden. Den Angehörigen wurden später Todesbenachrichtigungen mit Todesursache "Herzversagen" zugestellt und Zahlungsaufforderungen für die Kosten der Einäscherungen der Ermorderten. Wahrscheinlich hunderte von Verwaltungs- und Krankenhausangestellten waren mit der Verschleierung der Spuren der Aktion beauftragt.

Begonnen hatte die Aktion in Göttingen im September 1940, als 12 jüdische Menschen über die Anstalt Wunstorf/Han. in die Mordanstalt in Brandenburg gebracht und ermordet wurden. Diese als "Verlegung geisteskranker Juden" getarnte Verschleppung, der in Norddeutschland 187 Menschen zum Opfer fielen, war die Generalprobe für die planmäßige Ermordung physisch und psychisch behinderter Menschen. Verklärend wurde diese Aktion "T-4" genannt. Insgesamt, so die Schätzungen, dürften reichsweit in den Tötungsanstalten über 70.000 Menschen ermordet, zumeist vergast worden sein.

Gab es denn keinen Widerstand oder zumindest eine kritische Infragestellung der planmäßigen Verletzungen und Ermordungen? Es zeigt sich, daß sich viele Ärzte an ihre Vereidigungsformel von 1934 gehalten haben: "Ich schwöre: ich werde dem Führer ... treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflicht gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe". Wem half da Gott? Die Rasseneugeniker wollten selber Gott spielen und Menschen auslesen und formen. Als Ärzte wären sie dem Eid des Hippokrates verpflicht gewesen.

[zurück] [weiter] [grafische Übersicht] [Inhalt] [Seite drucken] [Fenster schließen]