Literaturübersicht

Man sollte annehmen können, daß in einer Nazi-Hochburg wie Göttingen, zumal begünstigt durch die Einrichtungen einer Universität mit ihren sozial- und geschichtswissenschaftlichen Instituten eine lückenlosere Erforschung und Darstellung der Zeit des Nationalsozialismus vorzuweisen hätte. Anzunehmen wäre, daß allein die Menge der StudentInnen in ihren Examensarbeiten das beachtenswert umfangreiche Stadtarchiv durchforsten und so einen großen Output zur Weiterbearbeitung vorweisen können. Dem ist leider nicht so.

Was vielmehr greift sind nicht die positiven Möglichkeiten, sondern die negativen Bedingungen einer kleinen Großstadt: ein konservatives lokales Establishment, eine eher biedere Universität und die, bedingt durch die fatale Haushaltssituation der Stadt, unzureichenden Möglichkeiten der Kulturförderung (denn das ist Geschichte) setzen enge Grenzen der Tätigkeit.

Die geneigten LeserInnen sei aber folgende Veröffentlichungen zum Thema NS und Göttingen nahegelegt. Leider haben nicht alle Bücher einen erschwinglich Preis. Einige sind auch vergriffen oder nur als Magister- und Examensarbeiten verfügbar. Die Geschichtswerkstatt hift bei der Literaturberatung und Beschaffung gerne weiter.

Zeiträume:

1933 - 45

Göttingen unterm Hakenkreuz. Nationalsozialistischer Alltag in einer deutschen Stadt - Texte und Materialien, Hg. Stadt Göttingen, Kulturdezernat, Göttingen 1983. (Vergriffen!)

Göttingen im Dritten Reich - Dokumente aus dem Stadtarchiv Göttingen, Heft 1, Hg. von H.-M. Kühn, Göttingen 1994, DM 15;-

1945 und "Neubeginn":

Göttingen 1945. Kriegsende und Neubeginn. Texte und Materialien zur Ausstellung im Städtischen Museum 31. März - 28. Juli 1985, Hg. Stadt Göttingen, Kulturdezernat, Göttingen 1985, DM 10,- (z.B. in der Info-Stelle im Neuen Rathaus)

Wiebke Fesefeld (verh. v. Thadden), Der Wiederbeginn des kommunalen Lebens in Göttingen. Die Stadt in den Jahren 1945 bis 1948, Göttingen 1962, 168 S. (Vergriffen).

Christian Ebner, "Liberalisierungsdiktatur"? Zum Einfluß der Britschen Militärregierung auf die Rekonstruktion der lokalen politischen Struktur: Das Beispiel Göttingen 1945/46, Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades am FB Hist.-Phil. der Uni Göttingen, Göttingen 1990, 115 S. (In der Bibliothek des Hist. Seminars im Blauen Turm, 2. St., beim Stadtarchiv oder der GW-Büro)

Widerstand:

Rainer Rohrbach, "Die politische Lage ist hier als verhältnismäßig ruhig zu betrachten ..." - Widerstand gegen den Nationalsozialismus in Göttingen in den Jahren 1933 bis 1945, in: 100 Jahre. Göttingen und sein Museum. Texte und Materialien zur Ausstellung im Städtischen Museum und im Alten Rathaus 1. Oktober 1989 - 7. Januar 1990, Hg. Städtisches Museum, Göttingen 1989, S. 161 - 180. (Vergriffen),

Joachim Bons, Viola Denecke, Kornelia Duwe, Regina Löneke, Bernd Tapken, "Bohnensuppe und Klassenkampf". Das Volksheim. Gewerkschaftshaus der Göttinger Arbeiterbewegung im Jahre 1921 bis zu seiner Zerstörung 1944, Göttingen 1986, 91 S.,

Gestapo Hannover meldet ... Polizei- und Regierungsberichte für das mittlere und südliche Niedersachsen zwischen 1933 und 1937. Bearbeitet und eingeleitet von Klaus Mlynek, Hildesheim 1986. Hierin einige Vorkommnisse aus Südniedersachsen,

Universität:

Braune Universitäten, Hg. Ralf Seeliger, [Schriftenreihe], hier Heft 6, München 1968. (Hier einzelne Fallbeispiele zu "interessanten" Professoren),

Die Universität Göttingen im Nationalsozialismus. Das verdrängte Kapitel ihrer 250jährigen Geschichte, Hg. von Heinrich Becker, Hans-Joachim Dahms, Cornelia Wegeler, München, London, N.Y., Oxford, Paris 1987, 523 S., DM 58,-,

Renate Kulick-Aldag, Göttinger Völkerkunde im Nationalsozialismus: Begeisterung, Opportunismus, Schweigen", Magisterarbeit am Institut für Ethnologie, Göttingen 1994, (möglicherweise bald als Buch erhältlich),

Andreas Lüddecke, Sozialbiologische Ideologiebildung und ihre Widersprüche am Beispiel des Falles Saller, Magisterarbeit am Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, Göttingen 1994,

Ullrich Schneider, Zur Entnazifizierung der Hochschullehrer in Niedersachsen 1945 - 1949, in: Nds. Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 61, Hildesheim 1989,

Barbara Marshalll, Der Einfluß der Universität auf die politische Entwicklung der Stadt Göttingen 1918 - 1933, in: Nds. Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 49, Hildesheim 1977,

Erwin Ratzke, Hakenkreuz und Talar. Das 200jährige Jubiläum der Georg-August-Universität Göttingen im Jahre 1937, in: Göttinger Jahrbuch 1988.

Verfolgung und Verbrechen:

Verewigt und Vergessen. Kriegerdenkmäler, Mahnmale und Genksteine in Göttingen, Hg. von Carola Gottschalk im Auftrag der Geschichtswerkstatt Göttingen e.V., Göttingen 1992, 157 S., DM 27,-

Die jüdischen Bürger im Kreis Göttingen 1933 - 1945. Göttingen, Hann. Münden, Duderstadt. Ein Gedenkbuch, Bearb. von Uta Schäfer-Richter und Jörg Klein, Göttingen 1992, 310 S., DM 34,-

Peter Wilhelm, Die Synagogengemeinde Göttingen, Rosdorf und Geismar 1850 - 1942, Göttingen 1978, 123 S.,

Heinz Rosenberg, Jahre des Schreckens. ... und ich blieb übrig, daß ich Dir´s ansage, Göttingen 1992, DM 9,80,-

Thomas Koch, Zwangssterilisaion im Dritten Reich. Das Beispiel der Universitätsfrauenklinik, Frankfurt a.M. 1994, 115 S., DM 25,-,

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu den Stätten des Widerstands und der Verfolgung 1933 - 1945, Bd. 2, Hg. darin: Kreis Göttingen, S. 15ff.,

Frank Baranowski, Der Duderstädter Rüstungsbetrieb Polte von 1938 bis 1945, Göttingen 1993, 176 S., DM 32,-,

Zum Bereich "Arisierung" von Unternehmen im Besitz jüdischer Bürger ist eine Veröffentlichung in Vorbereitung. Die Entstehungsgeschichte wirft allein ein bezeichnendes Licht auf die Situation lokaler Geschichtsforschung zum NS.

Deutliche Lücken sind aber auf drei Ebenen zu verzeichnen:

- NS und seine lokale Struktur. Insbesondere eine Darstellung von Frauen und NS, lokale soziale Struktur der NSDAP und seiner Gliederungen,

- der Komplex Zwang-, Fremd- und KZ-Arbeit und Verbrechen an PatientInnen in Göttingen,

- wirtschaftliche Verpflechtung und die Massenbasis des NS in Mittel- und Unterschichten (Massenloyalität).

Die Geschichte der Auseinandersetzung (besser: Nicht- ...) mit dem NS nach 1945 ist ein laufendes Projekt der Geschichtswerkstatt. Für Auskünfte, Beratungen und gegebenenfalls Vorträge und Führungen stehen wir zur Verfügung (Tel.: 485844, Bürozeiten Di und Do 10 - 13 und 14 - 17 Uhr, Bürgerst. 27 (im Bismarckhäuschen auf dem Wall).

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