Fast alle Juden in Dänemark gerettet.

Widerstand der Dänen erfolgreich.

Kopenhagen, 5. Mai (tp) - Was sich in Dänemark ereignete, ist von größtem Interesse - nicht wegen des Ausmaßes der dort stattgefundenen Aktion, sondern wegen der ungewohnten Hindernisse, die sich dort der deutschen Vernichtungsmaschinerie in den Weg stellten: eine unkooperative dänische Regierung und eine dänische Bevölkerung, die einmütig entschlosssen war, ihre Juden zu retten. Der König selbst erklärte, er wolle als erster den Judenstern tragen um eine Ausgrenzung von Mitbürgern zu hintertreiben.

Dänemark wurde 1940 durch die faschistische Wehrmacht besetzt. Dennoch behielt Dänemark eine Zivilregierung und dänisches Recht. Die dänische Verfassung mit Parlamenten, Parteien und König blieb in Kraft. Die Regierung unter deutscher Aufsicht kollaborierte zwar, war aber um die Beibehaltung eines Handlungsspielraumes bemüht: So konnten bis 1943 die dänischen Linksradikalen und Kommunisten sich noch legal organisieren, Parlamentswahlen wurden durchgeführt und die dänischen Nationalsozialisten wurden für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen, ihre Demonstrationen teilweise sogar verboten.

Der Widerstand, "Bürgerliche Partisanen", Gewerkschaften, Liberale wurde durch Hilfe des britischen Geheimdienstes und(!) der publizistischen Unterstützung von Presse und König, welcher den Nazis die kalte Schulter zeigte, effektiver und erzwang den offenen Konflikt zwischen dänischer Zivilregierung und den Besatzern.

Etwa 1350 Menschen ehemals deutscher Staatsbürgerschaft und jüdischen Glaubens in Dänemark waren 1943 zur Deportation vorgesehen worden. Die berliner Dienststellen hielten dieses Vorgehen für zu kompliziert, sie strebten vielmehr - trotz dänischer Zivilregierung - eine Deportation aller sich in Dänemark befindenen Juden an. Die Verhängung des Ausnahmezustandes sollte dann die Voraussetzung schaffen, alle Polizeihoheit in die Hände des deutschen Bevollmächtigen, Best, zu sammeln.1 Auch die dänischen Bischöfe ließen am 3.10.43 in einem Hirtenbrief verkünden: "Wir werden für das Recht unserer jüdischen Brüder und Schwestern kämpfen, die gleiche Freiheit zu bewahren, die wir höher schätzen als das Leben selbst."

Die Verhängung des Ausnahmezustandes, Verbot und Deportation von Oppositionellen und das Einsetzen faschistischer Terrorgruppen welche für anti-deutsche Anschläge Vergeltung übten, war die Folge.

Als nun die Nazis die Deportation der Juden in Geheimbefehlen vorbereiteten, sah sich die dänische Regierung genötigt durch gezielte Information von Einzelpersonen in Kontakt mit dem Widerstand die Verhaftung der Juden zu verhindern.

Etwa 5000 Juden konnten gewarnt werden. Sie konnten zunächst nicht glauben, daß ihnen die Deportation drohte. Wenige Stunden, bevor die deutsche Sicherheitskräfte auszogen, um die Verhaftungen vorzunehmen gelang es tausende von Menschen zu verstecken. Da aus Rücksicht auf den Status Dänemarks es den Schergen verboten war, gewaltsam in Wohnungen einzudringen, mußten sie, wenn sich nach mehrmaligen Klingeln an der Tür niemand meldete, abziehen. Die Menschen konnten teilweise über mehrere Wochen am Öresund versteckt werden und mit Hilfe des dänisch-schwedischen Widerstandsnetzes, unzähligen Fischern und Schiffern in Sicherheit gebracht werden. Auch wenn viele Schiffseigener bezahlt werden mußten, blieb niemand zurück, weil er oder sie kein Geld hatte. Hinter dem Rücken der Besatzer wurden mehrere hunderttausend Kronen gesammelt, um alle Passagen durchführen zu können, sowie Pässe, Kleidung oder Nahrung zu besorgen. Die dänische Marine nahm vorausblickend in diesen Wochen Reparaturen ihrer Schiffe vor, Besatzungen meldeten sich krank oder Fernschreiber wurden abgeschaltet, um nicht gegen diese Transporte eingesezt werden zu können. Auch wenn sich die Nazis am dänischen Recht orientieren mußten, war doch allen Beteiligten klar, daß Nazis zur Durchsetzung ihrer Ziele jede Form der Gewalt gegen die Zivilbevölkerung einsetzten würden. Sie riskierten ihr Leben.

Nur 200, Personen die zumeist die Warnungen nicht ernst nahmen, konnten am 1./2. Oktober 1943 verhaftet und deportiert werden. Tausende von Dänen haben der Drohung der Todesstrafe getrotzt. Trotzdem waren Opfer zu beklagen: Die Besatzung eines Kutters wurde beim Ablegen beschossen, es gab einen Toten unter den Seeleuten. Dennoch konnte der Kutter konnte in der dunklen Herbstnacht entkommen.

Eine Gruppe wurde im Gebälk eines Kirchturms versteckt und von den Häschern entdeckt. Auch sie gehören leider zu den Opfern.

Die nach Berlin gekabelte Meldung des deutschen Regierungsaufsehers "Dänemark sei judenfrei" stimmte. Doch als ruchbar wurde, daß nur wenige Juden deportiert werden konnten und die allermeisten durch offenen Widerstand entkamen, wurden bei den Nazis Tobsuchtsanfälle ausgelöst.

Ein Bild von ...
Straßenbarrikaden in Kopenhagen 1944

Die Konfrontation nahm bis 1945 zu: Der Widerstand konnte zwar in keine Offensive übergehen oder gar befreite Gebiet wie in Italien oder Polen schaffen. Doch ein Generalstreik in Juni 1944 und offene Straßenkämpfe bewaffneter Gruppen, eine mit der britischen Luftwaffe koordinierte Bombardierung des Deutschen Hauptquartiers im Stadtzentrum während eines zur Räumung der angrenzenden Gebäude vom Zaune gebrochenen Streik mit anschließendem Demonstrationszug oder die Außerlandesschleusung von Deserteuren mit fahrplanmäßigen Verbindungen schufen für die dänische Bevölkerung ein Bewußtsein solidarischen Zusammenstehens.

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