Ein Schuldbekenntnis der Kirche

Göttingen, 7. Mai (ca) - Der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer verfaßte im September 1940, als Hitler in Europa auf dem "Höhepunkt" seiner Eroberungen stand, ein Schuldbekennntis der Kirche, das wir hier in Auszügen dokumentieren. Bonhoeffer hat von Anfang an dem Nazi-Regime widersprochen und seinen Widerstand trotz zahleicher Repressalien weitergeführt. 1943 wurde er verhaftet, Anfang dieses Jahres nach Buchenwald gebracht und vor einem Monat, am 9. April, in Flossenbürg hingerichtet. Seine Schriften geben Zeugnis von einem aufrecht denkenden und glaubenden Christen, der sich gegen die nazifreundliche Deutschtümelei der Deutschen Christen wendet. Von seinesgleichen gab und gibt es in Deutschland viel zu wenige.

"Ich bin schuldig des ungeordneten Begehrens, ich bin schuldig des feigen Verstummens, wo ich hätte reden sollen, ich bin schuldig der Heuchelei und der Unwahrhaftigkeit angesichts der Gewalt, ich bin schuldig der Unbarmherzigkeit und der Verleugnung der Ärmsten meiner Brüder, ich bin schuldig der Untreue und des Abfalls von Christus. Was geht es euch an, ob andere schuldig sind? Jede Sünde eines anderen kann ich entschuldigen, nur meine eigene Sünde bleibt Schuld, die ich nie entschuldigen kann.(...)

Ein Bild von ...
Dietrich Bonhoeffer gest. 9.4.45

Die Kirche bekennt, den Namen Jesu Christi mißbraucht zu haben, indem sie sich seiner vor der Welt geschämt hat und Mißbrauch dieses Namens zu bösem Zweck nicht kräftig genug gewehrt hat: Sie hat es mit angesehen, daß unter dem Mantel des Namens Christi Gewalttat und Unrecht geschah. Sie hat aber auch die offene Verhöhnung des heiligsten Namen ohne Widerspruch gelassen und ihr damit Vorschub geleistet. Sie erkennt, daß Gott den nicht ungestraft lassen wird, der so wie sie seinen Namen mißbraucht.(..)

Die Kirche bekennt, die willkürliche Anwendung brutaler Gewalt, das leibliche und seelische Leiden unzähliger Unschuldiger, Unterdrückung, Haß und Mord gesehen zu haben, ohne ihre Stimme für sie zu erheben, ohne Wege gefunden zu haben, ihnen zu Hilfe zu eilen. Sie ist schuldig geworden am Leben der schwächsten und wehrlosesten Brüder Jesu Christi.(...)

Die Kirche bekennt, schuldig geworden zu sein an den Unzähligen, deren Leben durch Verleumdung, Denunzierung, Ehrabschneidung vernichtet worden ist. Sie hat den Verleumder nicht seines Unrechtes überführt und hat so den Verleumdeten seinem Geschick überlassen.(...)

Indem die Kirche die Schuld bekennt, entbindet sie den Menschen nicht von eigenem Schuldbekenntnis, sonderen sie ruft sie in die Gemeinschaft des Schuldbekenntnisses hinein. Nur als von Christus gerichtete kann die abgefallene Menschheit vor Christus bestehen. Unter dieses Gericht ruft die Kirche alle, die sie erreicht."

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